Ich hatte mal einen Chef, der mich angrinste und sagte: „Sie wollen aber auch alles wissen.“ „Natürlich“, entgegnete ich. „Aber ich bin interessiert und nicht neugierig.“ Auf diesen Unterschied lege ich wirklich großen Wert. Es gibt Freunde, von denen dachtest du, dass sie dir ehrlich interessierte Fragen stellen. Und du stellst fest: Es waren Fragen, die in der Hoffnung auf „tratschwürdige“ Neuigkeiten gestellt wurden. Wie traurig.
Im Duden wird Interesse mit „geistiger Anteilnahme, Aufmerksamkeit“ erklärt. Während Neugier beschrieben wird mit „Beherrschtsein von dem Wunsch, etwas Bestimmtes zu erfahren, in Angelegenheiten, Bereiche einzudringen, die besonders andere Menschen und deren Privatleben o. Ä. betreffen“. Natürlich möchte ich auch etwas Bestimmtes wissen, wenn ich eine Frage stelle. Aber beim echten Interesse geht es um das mitfühlende, mitdenkende Miterleben. Ich möchte aktiv zuhören, Rückfragen stellen, vielleicht einen Gedanken ergänzen. Ich möchte mich nicht aufdrängen. Ich möchte wissen, wie es dem anderen geht, was er denkt. Da spielt Vertrauen eine Rolle. Vielleicht ist das Ziel ein anderes: Wer neugierige Fragen stellt, möchte die Nase in etwas stecken, das ihn eigentlich nichts angeht, um das natürlich später hinter dem Rücken weiter bereden zu können.
Vielleicht stell ich auch manchmal zu viele Fragen. Eine Berufskrankheit. Andererseits: Die meisten Menschen erzählen doch wahnsinnig gerne von sich. Sie reden von Details und Personen, die ich gar nicht kenne. Wenn ich also selbst nichts von mir preisgeben will, kann ich wunderbar ein, zwei Fragen stellen, um nicht selbst im Focus stehen zu müssen.
Im Beruf ist es natürlich noch etwas anders: Ich brauche Informationen und Emotionen, damit ich hinterher einen schönen Text schreiben kann. Manchmal muss ich auch Fragen stellen zu Dingen, die eigentlich logisch sind. Dadurch hoffe ich auf ein schönes Zitat. Ich muss meine Gesprächspartner ja auch zum Reden bringen. Ich möchte also eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen und mich auf sie und ihn einstellen können. Ich habe mal am Telefon das Gespräch eröffnet mit „Schön, dass Sie sich für das Gespräch Zeit nehmen.“ Er: „Ja.“ Ich: „Zu dem Thema … gibt es ja wirklich wenig Literatur.“ „Hmmm.“ Da ist gar nicht so leicht, die „Interviewnuss“ zu knacken.
Nun verrate ich Ihnen aber doch noch was: Manchmal ist es auch ganz schön zu tratschen. Das ist wiederum etwas anderes als Lästern. Aber darüber schreibe ich ein anderes Mal.